„Zukunft braucht Erinnerung“: Der Förderverein Liberale Synagoge Darmstadt e.V. hat zum Start der 11. Darmstädter Aktionswochen gegen Antisemitismus, die in diesem Jahr von Anfang November 2023 bis Mitte Februar 2024 laufen, deutlich mehr antisemitismus-kritische Aufklärung und Bildung an Schulen, Universitäten und in den Integrationskursen gefordert. „Angesichts des durchs Land rasenden Welle des hemmungslosen Judenhasses sagte der Vorsitzende und Gründer des Fördervereins Liberale Synagoge, Martin Frenzel: „Nie wieder ist jetzt – der Satz Zukunft braucht Erinnerung und Geschichtsbewusstsein muss wieder ganz oben auf die Agenda antisemitismuskritischer Bildung. Wir brauchen jetzt mehr denn je eine antisemitismus-kritische Bildungs-Offensive.“ Angesichts der Explosion des Judenhasses auch und gerade in Deutschland seien Zivilcourage, klare Haltung und Gegenwehr aller Demokratinnen und Demokraten gefragt, aber auch Solidarität und Empathie mit Israel und der Darmstädter nordisraelischen Partnerstadt Nahariya, „ohne Wenn und Aber“, so Frenzel weiter. Von Hannah Arendt stamme der Satz: „Vor Antisemitismus ist man nur auf dem Monde sicher.“ In der aktuellen Mitte-Studie stimmten mittlerweile erschreckende 21 Prozent aller Deutschen antisemitischen Aussagen zu. „Hier tun sich Abgründe auf“, so der FLS-Tenor. „Der Judenhass geht heutzutage bis tief in der Mitte der Gesellschaft, bis in gut ausgebildete, gut situierte, feine bürgerliche Kreise. Dieser Trend ist alarmierend, zumal die Zahl der Antisemiten in Deutschland noch vor ein paar Jahren nur bei 12% lag. Wir haben es mit einem rasanten Anstieg zu tun. Antisemitismus ist kein bloß historisches Phänomen, war nie weg nach 1945, im Gegenteil, Schuldabwehr, antisemitische Chiffren und Verschwörungserzählungen, codierter Antisemitismus feierten mehr denn je fröhliche Urständ, erschreckenderweise auch ausgerechnet an deutschen Universitäten, die schon einmal eine berüchtigte Vorreiterfunktion beim Vormarsch braunen Gedankenguts innehatten.“ Und weiter: „Judenhass hat viele Gesichter und tritt in verschiedensten Formen und Gewändern auf. Für Judenhass darf es in diesem Land, dem Land, das die Shoah zu verantworten hat, null Toleranz geben, auch nicht für Antisemitismus unter dem Deckmantel der Israel-Schmähung“, sagte Frenzel. Notwendig sei eine kommunale Koordinationsstelle zur Antisemitismus-Prävention, „um den um sich greifenden zügellosen Judenhass einzudämmen“.
Schon Carl von Ossietzky habe gewusst: „Der Antisemitismus ist dem Nationalismus blutsverwandt und dessen bester Alliierter.“ Der Judenhass habe schon immer viele Gesichter gehabt, dies treffe heute „mehr denn je zu“. Es gebe rechtsextremen Antisemitismus in erschreckendem Ausmaß, aber eben auch muslimischen, islamistischen Judenhass, linken Antisemitismus und – Stichwort: Bildung schützt vor Antisemitismus nicht – Judenhass bis bürgerlich-akademische Kreise. „Man hüte sich vorm gepflegten Judenhass mancher Dr. phil.s und Dr.med‘‘s“, so der FLS. Frenzel zitierte dazu Jean-Paul Sartre: „Wenn es den Juden nicht gäbe, würde ihn der Antisemit erfinden. Solange ein Jude irgendwo auf der Welt um sein Leben fürchten muss, ist auch kein Europäer sicher. »Der Antisemitismus ist, kurz gesagt, die Angst, Mensch zu sein. Der Antisemit will ein unerbittlicher Felsen, ein reißender Sturzbach, ein verheerender Blitz – alles, nur kein Mensch sein.«
Frenzel wörtlich: Antisemitismus ist keineswegs nur ein Angriff auf Jüdinnen und Juden, sondern er ist „ein Angriff auf uns alle, auf die liberale Demokratie und den Artikel 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die viel zu späten Verboten der Terrorgruppe Hamas in Deutschland samt ihrer Vorfeldorganisationen wie Samidoun müsse strafrechtlich mit aller Härte und konsequent durchgesetzt werden. Wenn in diesen Tagen und Wochen Hetzparolen gebrüllt und Juden der Tod gewünscht werde, seien die roten Linien unserer Demokratie klar überschritten. Hamas und Hisbollah seien keineswegs „Befreiungs“-Organisationen, sondern vielmehr gefährliche, brutale, vom iranischen Regime gesteuerte islamistische Terror- und Todes-Schwadrone, die nichts weniger als die Vernichtung der einzigen Demokratie des Nahens Ostens, Israels, im Sinn hätten.
Bildung spiele bei der aktiven Bekämpfung und Prävention des Antisemitismus eine Schlüsselrolle: Aufklärung und Geschichtsbewusstsein täten not, wir brauchen mehr Bildungsangebote zum Thema Antisemitismus, an unseren Schulen, Universitäten, an Volkshochschulen und in den Integrationskursen. Wir brauchen dringend gezielte Aufklärung über Antisemitismus auch bei den Angeboten für Asylsuchende und Flüchtlinge, über die deutsche Geschichte, die europäische Judenvernichtung der Nazis, die Shoah und warum eine zentrale Lehre aus Auschwitz sei, die Sicherheit Israels zu garantieren. Ganz im Sinne Adornos: „Der Antisemitismus ist das Gerücht über die Juden.“ (Theodor W. Adorno, Minima Moralia)
Der Förderverein Liberale Synagoge, der sich unter dem Motto Zukunft braucht Erinnerung seit Jahren mir Rundgängen, Vorträgen und den Darmstädter Aktionswochen gegen Antisemitismus engagiert, führt vom 22. Oktober 2023 bis Mitte Februar 2024 die seit 2012 bestehenden, 11. Darmstädter Aktionswochen gegen Antisemitismus durch – zu denen wieder zahlreiche FLS-Rundgänge stattfinden.
So gibt es im November 2023 zahlreiche FLS-Rundgänge JÜDISCHES DARMSTADT – Auf den Spuren der Liberale Synagoge und vergessener Darmstädter Jüdinnen und Juden. Die nächsten Termine: ausnahmsweise wegen des nahenden 9.November-Gedenk-Wochenendes am kommenden Freitag, 10 November 2023, 14.30 Uhr, Treffpunkt: Gedenkstätte Liberale Synagoge, Treppenaufgang Lorztzsche Menora, Zugang Höhe Gagernstr./Bleichstr. Oder via Julius-Landsberger.-Platz. Unter dem Titel: Jüdisches Darmstadt-Rundgang (Sonderführung zum 85.Jahrestag): Auf den Spuren der Liberale Synagoge, des Philosophen Julius Goldstein und des Darmstädter Novemberpogroms von 1938. Es folgt an diesem Wochenende rund um den 85.Jahrestag des 9.Novembers, als Darmstadts Synagogen brannten, eine Jagd auf Menschen jüdischen Glaubens und eine Zerstörungsorgie gegen deren Wohnungen und Geschäfte begann, ein weiterer FLS-Rundgang am Sonntag, 12.November 2023, 14.30 Uhr unter dem Titel Jüdisches Darmstadt-Rundgang: Auf den Spuren der Liberale Synagoge, Otto Wolfskehls und des Darmstädter Novemberpogroms von 1938, Teilnahme kostenlos, Spende erbeten, Voranmeldung notwendig: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de, Treffpunkt (Achtung: anderer Treffpunkt!): Wolfskehl-Gedenktafel im Wolfskehlschen Garten, Karlstr. (Treppenaufgang gegenüber dem Restaurant Wilhelminenhof). Von dort geht es danach zum Luisenplatz und zur Gedenkstätte Liberale Synagoge.
Am Dienstag, 21. November 2023, hält der Historiker und Buchautor Martin Frenzel einen Online-Vortrag „Vergessene Darmstädter Jüdinnen und Juden: Über Rabbi Bruno Italiener, Hertha Mansbacher, Helga Keller (geb. May), Marie Trier und den Kultur- und Technik-Philosophen Professor Julius Goldstein und dessen Tochter Elsbeth Juda, geb. Goldstein“ (20 Uhr Beginn, Anmeldung erforderlich: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de, Zoom-Link wird sodann verschickt)
Sodann folgt am Mittwoch, 29.November 2023 um 19.30 Uhr ein FLS-Abend zum 75. Todestag des berühmten Darmstädter Dichters Karl Wolfskehls: Jüdisches Darmstadt: Auf den Spuren Karl Wolfskehls "Eure Sprache ist auch meine." Gedichte aus dem italienischen Exil. Eine Erinnerung an den großen, in Darmstadt geborenen deutsch-jüdischen Dichter (1869-1948) und berühmten Sohn Otto Wolfskehls, zum 75. Todestag – er starb fast erblindet am 30. Juni 1948 im neuseeländischen Exil, Auckland. Ein Vortrags-, Lese- und Gesprächsabend des FÖRDERVEREINS LIBERALE SYNAGOGE DARMSTADT e.V. Referent ist der Heidelberger Literaturwissenschaftler und Wolfskehl-Kenner Prof. Dr. Ralf Georg Czapla (Ruprechts-Karl-Univ. Heidelberg, Lehrstuhl für Literaturwissenschaft). Ort; in der Evang. Studierendengemeinde (ESG), Alexanderstr. 35, Eintritt frei, Spenden aber erbeten.
Von Anne Frank stamme der kluge Satz: „Wann werden wir Juden nicht mehr Juden, sondern Menschen sein?“ Erstmals in Kooperation mit der Stadtkirche Darmstadt und der Stadtkantorei findet im Rahmen der Darmstädter Aktionswochen gegen Antisemitismus am 19.11. 2023 und dann nochmal am 28. Januar 2024 die Aufführung des Oratoriums „Annelies“ des englischen Komponisten James Whitbourn statt. Es handelt sich hier um eine Vertonung von Teilen des weltberühmten Anne Frank Tagebuchs. Das Besondere an der Aufführung ist nicht nur, dass sich ein Klezmer-Ensemble rund um bekannte Klarinettistin und Queen of Klezmer Irith Gabriely mit der Darmstädter Kantorei und der Jugendkantorei der Stadtkirche zusammengetan hat, sondern auch dass das Konzert begleitet wird von einer Kunstinstallation der Künstlerin Zoya Sadri, die gebürtig aus dem Iran stammt.
Im Dezember 2023 und im Januar/Februar 2024 seien weitere Veranstaltungen geplant, etwa über die Darmstädter NS-Täter Werner Best, Karl Wolff, Hans Stark u.a. – und ein Nie wieder ist jetzt-Podiumsgespräch zum aktuellen Antisemitismus heute. Genauere Infos dazu folgen noch. Weitere Infos folgen: www.liberale-synagoge-darmstadt.de.
Spenden und Voranmeldung erbeten: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de. Um Voranmeldung wird aus Planungsgründen gebeten: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de.
Die beiden aktuell laufenden Benefizspendenkampagnen des FLS – Darmstadt braucht eine Rabbi Bruno Italiener-Gedenktafel 2024“ und „Darmstadt braucht einen Julius Goldstein-Platz mit Gedenktafel 2024“ gehen 2023 weiter (www.liberale-synagoge-darmstadt.de). Spenden hierfür können direkt aufs Konto des Vereins überwiesen werden (Infos dazu gern auf Anfrage!).
Weitere Veranstaltungen werden via Tagespresse und FLS-Homepage bekannt gegeben. Die weiteren Liberale Synagoge-Rundgänge im November 2023 in der Gedenkstätte sollen finden sonntags (immer sonntags, einmal im Monat, je 14.30 Uhr, statt Voranmeldung unbedingt erforderlich: unter martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de!)
„In einer Zeit des wachsenden, gewaltbereiten Antisemitismus heute und einer Welle rechtsextremer und islamistischer Hass-Ideologie ist und bleibt Erinnerungsarbeit eine dauernde Gegenwarts- und Zukunftsaufgabe“, so Martin Frenzel, Vorsitzender und Gründer des Fördervereins Liberale Synagoge. Und: „Die Gedenkstätte Liberale Synagoge gehört heute weit über Darmstadts Grenzen hinaus zu einem bundesweit beachteten Wegzeichen der Demokratie und der Erinnerungskultur“. Mehr denn je sei das Engagement für ein weltoffenes, liberales und geschichtsbewusstes Darmstadt notwendiger denn je.“
Zudem setzt der Förderverein Liberale Synagoge seine beiden Benefizspendenkampagnen fort: Darmstadt braucht eine Rabbi Bruno Italiener-Gedenktafel und einen Julius Goldstein-Platz mit Gedenktafel – Letzterer war ein zu Lebzeiten bedeutender, aber wegen seines Jüdischseins angefeindeter Kultur- und Technikphilosoph, der an der Technischen Hochschule (heutigen TUD) lehrte. Goldstein wäre am Sonntag, 29.Oktober 2023 150 Jahre alt geworden.
Vom 22. Oktober 2023 bis 1.Februar 2024 laufen diesmal die seit 2012 bestehenden, 11. Darmstädter Aktionswochen gegen Antisemitismus – zu denen wieder zahlreiche FLS-Rundgänge stattfinden. Zudem sind Vorträge über Vergessene Darmstädter Jüdinnen und Juden auch zum aktuellen Antisemitismus geplant, siehe www.liberale-synagoge-darmstadt.de
Spenden und Voranmeldung erbeten: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de. Um Voranmeldung wird aus Planungsgründen gebeten: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de.