Das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel verschärft die Situation im Nahen Osten und befeuert den Judenhass weltweit. Die Anschläge in Brüssel und Paris, der Synagogenanschlag in Halle, die aggressive Gewalt gegen alles Jüdische in der islamischen Welt und die antisemitischen Ausschreitungen in Europa, nicht zuletzt in Deutschland, sind weitere Beispiele der letzten Jahre dafür.
Der Judenhass ist alt, groß, stark und geht oft von der Mitte der Gesellschaft aus. Der Hass beginnt vor 2500 Jahren. Der christliche Antijudaismus
und der Ausschluss der Juden im Mittelalter spitzen sich zu mit dem bürgerlich-politischen Antisemitismus im 18. und 19. Jahrhundert. Er kulminiert ideologisch in der Wannseekonferenz, wird
mörderisch in Auschwitz und über 42.000 weiteren Vernichtungs- und Todeslagern der Nazis wie Belzec, Sobibor, Majdanek, Treblinka, Bergen-Belsen, Mauthausen, Buchenwald, Dachau
u.v.a.
Der Historiker Sebastian Voigt entwickelt mit diesem Buch eine dichte Geschichte des Judenhasses und verbindet sie mit einem leidenschaftlichen Aufruf zum couragierten Widerstand gegen den heutigen Antisemitismus.
Dr. Sebastian Voigt, Jg. 1978, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte, München – Berlin, sowie Fellow am Institut für soziale Bewegungen in Bochum. Er unterrichtet außerdem als Lehrbeauftragter an der Universität der Bundeswehr in München und der Ruhr-Universität Bochum. Er hat u. a. in der TAZ, dem Tagesspiegel, der Jerusalem Post und der Jungle World publiziert und wurde von vielen Medien interviewt. Außerdem publizierte er zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen.
100 Jahre wehrhafte Demokratie, 100 Jahre Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (gegründet 1924):
Mit mindestens 1,5 Millionen Mitgliedern war das 1924 gegründete Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold die größte demokratische Organisation der Weimarer Republik. In den Jahren zuvor war die junge Republik Angriffen von Rechts- und Linksextremisten ausgesetzt. Politische Morde und Aufstandsversuche erschütterten die Demokratie.
Im Reichsbanner engagierten sich Parteilose sowie Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der katholischen Zentrumspartei (Zentrum). Ziel des Bundes war es, die Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen. Als Gegner standen dem Reichsbanner Nationalsozialisten, Monarchisten und Kommunisten gegenüber.
Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund der republikanischen Kriegsteilnehmer e.V. wird nach den schweren politischen Unruhen des Jahres 1923 als parteiübergreifende Organisation zum Schutz der Weimarer Republik gegründet. Anders als der Wehrverband Stahlhelm oder der Rote Frontkämpferbund engagieren sich seine Mitglieder nicht gegen sondern für die noch junge deutsche Demokratie. Der Verband will eine demokratische und republikanische Staatsgesinnung in der Bevölkerung verankern. Erklärtes Ziel ist die Festigung der Republik und die Achtung der Verfassung. Schnell entwickelt sich das Reichsbanner zu einer Massenorganisation, nach eigenen Angaben mit bis zu dreieinhalb Millionen Mitgliedern.
Nach dem Wahlerfolg der Nationalsozialisten 1930 verstärkt das Reichsbanner seinen Einsatz gegen die nationalsozialistische Gewalt und schließt sich Ende 1931 mit Gewerkschaften,
SPD und Arbeitersportorganisationen zur Eisernen Front zusammen. Doch mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 ist die Niederlage der Republikaner besiegelt.
Das Reichsbanner wird verboten, seine Aktivisten werden verfolgt, inhaftiert und ins Exil getrieben.
Die Schau dokumentiert mit ausdrucksstarken Fotos und Dokumenten den umfassenden Einsatz des Reichsbanners
Schwarz-Rot-Gold für die demokratische Republik von Weimar. Sie macht deutlich, dass von einer „Republik ohne Republikaner“ nicht gesprochen werden kann.
Schwarz-Rot-Gold waren nicht nur die Farben der Paulskirche und der Weimarer Nationalversammlung, sondern auch die des 1924 gegründeten Reichsbanners. In ihrem Kampf um die Weimarer Republik reihten sich die Mitglieder der Republikschutzorganisation in deutsche Freiheitstraditionen ein. Parlamentarische Demokratie war für die Reichsbanner-Männer die Bedingung, dass Deutschland in Frieden und Freiheit werde leben können. Von den Rechtsverbänden und rechten Wehrverbänden wurde das Reichsbanner mit einem gängigen agitatorischen Mittel angegriffen: mit Antisemitismus. Denn dieser war (und ist!) im Denken der deutschen Rechtsradikalen immer gegenwärtig. Das hatte Folgen für das Engagement von jüdischen Reichsbannerangehörigen – zahlreiche sozialdemokratische und linksliberale Aktivisten hatten einen jüdischen Familienhintergrund. In Wuppertal war der jüdische Sozialdemokrat Oswald Laufer einer der führenden Kämpfer des Reichsbanners. Schon am 7. März 1933 wurde er Opfer im Kampf für die Republik. Auch Siegmund und Max Löwenstein waren jüdischer Herkunft und bezahlten einen hohen Preis für ihren Einsatz für Demokratie und Freiheit.
Sebastian Elsbach, Politikwissenschaftler und Historiker, hat 2023 eine große Studie zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold veröffentlicht und wird in der Begegnungsstätte Alte Synagoge besonders die Zusammenhänge von Demokratiefeindlichkeit und Antisemitismus beleuchten.
Schwarz-Rot-Gold waren die Farben nicht nur der Paulskirche und der Weimarer Nationalversammlung, sondern auch die des 1924 gegründeten Reichsbanners. In ihrem Kampf
um die Weimarer Republik reihten sich die Mitglieder der Republikschutzorganisation bewusst in deutsche Freiheitstraditionen ein. Parlamentarische Demokratie war in den Augen der
Reichsbannermänner die Bedingung dafür, dass Deutschland in Frieden und Freiheit würde prosperieren können. Die aus unterschiedlichen Milieus stammenden Vereinsmitglieder erklärten sich dazu
bereit, die Republik notfalls auch mit Gewalt gegen ihre Feinde zu verteidigen. Sie versuchten jedoch primär mit zivilen Mitteln für den Erhalt der Demokratie einzutreten. Die reaktionären
Monarchisten, in ihrer unreflektierten Verantwortung für die Katastrophe des Ersten Weltkrieges, wurden ebenso abgelehnt, wie die schrankenlose Demagogie der Kommunisten. Der Aufstieg der NSDAP
wurde als elementare Gefahr nicht nur für die jüdischen, sondern für alle deutschen Staatsbürger erkannt und entschieden bekämpft. Zahlreiche jüdische Bürger engagierten sich im Reichsbanner
gemeinsam mit christlichen oder konfessionslosen Demokraten. Gemeinsam setzten sie sich gegen den militanten Antisemitismus der Nationalsozialisten zur Wehr. Warum die Reichsbannermänner 1933
dennoch unterlagen, skizziert der Historiker und Politikwissenschaftler Dr. Sebastian Elsbach in seinem FLS-Online-Vortrag.
Kurzvita:
Sebastian Elsbach studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie in Chemnitz, Lodz (Polen) und Jena. Dort promovierte er 2018 mit einer Arbeit zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, die mehrfach ausgezeichnet wurde. Es folgte die Beteiligung an dem von der Gerda-Henkel-Stiftung geförderten Forschungskolleg in Jena „Das demokratische Gewaltmonopol in der Weimarer Republik, 1918–1924“. Seit 2022 arbeitete er u.a. für die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte in Weimar, das Institut für Landesgeschichte Sachsen-Anhalt in Halle und den in Jena ansässigen Thüringer Volkshochschulverband. Er publizierte zahlreiche Arbeiten zur deutschen Demokratie-, Gewalt- und Ideengeschichte.
Die Vernichtungsaktion der Hamas und das Pogrom in Südisrael waren nur durch jahrelange Unterstützung aus Teheran möglich, und die Voraussetzung für diese Unterstützung waren die Milliardengeschäfte deutscher Unternehmen mit dem iranischen Regime, die in den letzten Jahrzehnten von ausnahmslos allen deutschen Parteien und Regierungen gefördert wurden. Solange es zu keiner 180-Grad-Wende in der Politik gegenüber dem Regime im Iran kommt bleiben die Solidarisierungen mit dem angegriffenen Israel genauso billige Rhetorik wie die formelhaften Beschwörungen eines „Nie wieder“ und „Wehret den Anfängen“.
Vor diesem Hintergrund wird der Vortrag den Antisemitismus des iranischen Regimes und seiner Verbündeten skizzieren und verdeutlichen, inwiefern die konsequente Bekämpfung der Hamas, der Hisbollah und des iranischen Regimes die Voraussetzung für jegliche Verbesserung der Situation im Nahen und Mittleren Osten ist. Zudem soll gefragt werden, inwiefern die Bündnispolitik Israels im Rahmen der Abraham Accords ein Gegengewicht zur iranischen Achse des antisemitischen Terrors schaffen kann.
Prof. Dr. Stephan Grigat, Jg. 1971, ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Leiter des Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) in Aachen. Er ist Research Fellow an der Universität Haifa und am London Center for the Study of Contemporary Antisemitism, Autor von „Die Einsamkeit Israels: Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung“ (Konkret 2014), Herausgeber von „Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart: Erscheinungsformen – Theorien – Bekämpfung“ (Nomos 2023) und Mitherausgeber von „Erinnern als höchste Form des Vergessens? (Um-)Deutungen des Holocaust und der Historikerstreit 2.0“ (Verbrecher Verlag 2023).