Sehr geehrte Frau Juda, liebe Elsbeth, meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Fotograf Andreas Feiniger, der Sohn des großen Malers und Bauhaus-Lehrers Lyonel Feininger, ist an allem Schuld. Es war die die Feininger-Ausstellung hier in der Kunsthalle, die uns den Ansporn gab, Herrn Dr. Joch vorzuschlagen, die Werke der Fotografin Elsbeth Judas in ihrer Heimatstadt Darmstadt zu zeigen. Peter Joch war von dieser Idee sofort begeistert. Dafür, dass Sie, Herr Dr. Joch, diese gelungene Ausstellung nun wahrgemacht haben, möchten wir Ihnen herzlich danken.
Ich denke, die viele gemeinsame Arbeit, die das Ausstellungsprojekt Elsbeth Juda gekostet hat, die Klippen, die es in den letzten anderthalb Jahren zu umschiffen galt, haben sich am Ende GELOHNT. Wir von Seiten des Vereins haben als Partner der Kunsthalle viel ehrenamtliches Engagement, viel Arbeitskraft und Zeit eingebracht, um das Ausstellungsprojekt Elsbeth Juda aktiv zu unterstützen. Heute wird unser gemeinsamer Traum wahr.
Wir, vom Förderverein Liberale Synagoge, sind besonders froh, dass es mit dieser Ausstellung gelungen ist, erstmals die Werke Elsbeth Judas in ihrer Heimatstadt Darmstadt zu zeigen. Genau 80 Jahre, nachdem Elsbeth und Hans Juda 1933 aus ihrer Heimat Deutschland gewaltsam von den Nazis vertrieben wurden, dem Jahr, in dem Hitler und die NSDAP die Demokratie in Deutschland abschafften. Nicht alle in der Familie Goldstein – Juda hatten das Glück, rechtzeitig fliehen zu können. Viele wurden deportiert und in Auschwitz ermordet. Der völkische, rassistisch motivierte Antisemitismus in Darmstadt war aber kein Phänomen, das erst 1933 vom Himmel fiel: Er reicht bis tief ins 19. Jahrhundert zurück. 1912 – im Jahr, als die TITANIC sank und Elsbeth ein Jahr alt war – da gab es in der Rheinstraße einen Mord an einem jüdischen TH-Studenten. Bereits 1898, in der Blütezeit des Kaiserreichs und zu Zeiten des Großherzogs, wählten 23 Prozent der Darmstädter bei den Reichstagswahlen Antisemiten-Parteien. Julius Goldstein wurde selbst ein Opfer des Judenhasses und des Rassenwahns. Hannah Arendt schrieb einmal: „Vor Antisemitismus ist man nur auf dem Monde sicher.“
Man kann es gar nicht oft genug sagen: Die Vertreibung der Deutschen jüdischen Glaubens in den Jahren zwischen 1933 bis zum Beginn der systematischen Vernichtung der europäischen Juden 1941/42 war eben KEINESWEGS eine Emigration, wie immer wieder gern – auch nach 1945 bis heute – behauptet wurde, sondern es war eine gewaltsame Heimatvertreibung der Deutschen jüdischen Glaubens – aus ihrem EIGENEN LAND. Im Falle von Elsbeth Juda – vom Woog und der Spree an die Themse… Ich möchte hier den Schweizer Journalisten und Buchautor Walter Ludin zitieren, der einmal schrieb: „Nirgends leuchtet die Heimat so hell wie im Exil.“
Meine Damen und Herren, wir sind deshalb froh, dass hier der Brückenschlag zwischen den Künsten einerseits und der aktiven Erinnerungskultur andererseits gelungen ist. Die Präsentation der Werke Elsbeth Judas ist ein künstlerisches Ereignis von Rang. Aber sie ist, nach so vielen Jahren, auch ein Akt der erinnerungskulturellen Wiedergutmachung. Ein Beitrag für ein geschichtsbewusstes, liberales und tolerantes Darmstadt. Und es ist eine Heimkehr nach 80 Jahren des Exils. Ich glaube, Julius Goldstein, der bedeutende Denker, Philosophie-Professor und Kulturwissenschaftler, unermüdlicher Aufklärer gegen die völkisch-rassistische Ideologie der Nazis, der Vater von Elsbeth Juda, Professor an der Technische Hochschule Darmstadt, der hier in Darmstadt auf dem Jüdischen Friedhof begraben liegt, Mitglied der Liberalen Jüdischen Gemeinde Darmstadt war, und im 1. Weltkrieg als Offizier für sein deutsches Vaterland kämpfte wie so viele Deutsche jüdischen Glaubens seiner Generation, dieser JULIUS GOLDSTEIN sitzt jetzt, oben auf seiner Wolke und guckt uns wohlwollend zu! Am 29. Oktober 2013 jährt sich sein 140. Geburtstag. Wir vom Verein werden im Herbst 2013 aus diesem Anlass an ihn und andere vergessene Darmstädter Juden erinnern. Unser Vereins-Motto lautet ja: ZUKUNFT BRAUCHT ERINNERUNG. Und, mit Saul Friedländer: GEBT DER ERINNERUNG NAMEN! Ich füge hinzu: Zukunft braucht künftig mehr denn je die Wechselwirkung von KUNST und ERINNERUNGSKULTUR, um auf diese Weise mehr Menschen zu erreichen.
Liebe Elsbeth, diese Ausstellung ist ja auch so etwas wie ein vorgezogenes Geburtstagsgeschenk: Sie feiern in wenigen Tagen, am 2.Mai, ihren Geburtstag! Ich danke Ihnen, dass Sie uns von Anfang an bei unserm Vorhaben generös und gastfreundlich, wie es in der Familie Goldstein-Juda gute Sitte ist, am 5. Oktober 2012 in London empfangen und unterstützt haben. Danke sehr für Ihr Vertrauen! Thank you very much, dear Elsbeth, thank you for having and hosting us last year in London, thank you for coming to Darmstadt! Ich danke auch Ihren beiden Assistentinnen Frances Mossman und der Londoner Sekretärin von Elsbeth, Sophie. Thank you so much!
Ich möchte hier aber einem Menschen danken, ohne den es die Präsentation der Werke Elsbeth Judas hier nicht gäbe: Meinem Vater Reinhard Frenzel. Er war es, der mich darauf aufmerksam machte, dass Julius Goldstein eine Tochter hat, die der Verfolgung der Nazis entging und im Londoner Exil lebt. Damals wusste ich noch nicht, dass Elsbeth Juda eben nicht nur Viktoriaschülerin Darmstadt war, sondern im englischen Exil eine renommierte Fotografin wurde. Da ich aber als Kind schon Detektiv werden wollte, fand ich das bei der Recherche schnell heraus. Mein Vater war es auch, der dann den entscheidenden Kontakt zu einem Verwandten Elsbeth Judas herstellte, zu Michael Philipps. Mister Philipps war es, der uns die Türen zu Elsbeth Juda öffnete. Herr Philips, der leider heute nicht hier sein kann, wird mit seiner Familie im Juni nach Darmstadt kommen. Kann leider heute leider nicht hier sein. Auch ihm gebührt großer Dank. Wir vom Förderverein Liberale Synagoge danken auch der HSE-Stiftung und den HEAG Kulturfreunden, die zum Gelingen der Ausstellung beitragen.
Meine Damen und Herren, es ist das Verdienst dieser Ausstellung in der Kunsthalle, dass auch eine besondere Familienzusammenführung heute möglich wird: Gestatten Sie mir daher, dass ich hier heute zwei Verwandte aus der Familie Juda, also des geliebten Mannes von Elsbeth, Hans Juda, herzlich begrüße, die heute unter uns sind: Es sind Charlotte Friedrich und ihre Tochter Geraldine Friedrich, die eigens aus der Nähe von Lörrach, nahe an der Schweizer Grenze angereist sind, um Elsbeth Juda heute zu sehen. Elsbeths Ehemann Hans Juda ist der Cousin von Frau Charlotte Friedrich (einer geb. Juda). Die Väter von Hans Juda und von Charlotte Friedrich waren Brüder, sie stammten beide aus Trier. Herzlich willkommen, Familie Friedrich, in Darmstadt!
Möge diese Schau viele Menschen auch und gerade für die Erfahrung des Exils und kulturellen Verlusts sensibel machen, klarmachen, was die die Zerstörung des Jüdischen Darmstadts von vor 1933, die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Darmstädter Juden bedeutet hat. Vor allem aber gilt es heute, eine großartige Fotografin, die sich im englischen Exil neu erfinden musste – hier und heute neu zu entdecken. Wir vom Förderverein Lib Syn hoffen, dass wir mit unserm Engagement in Sachen Elsbeth Juda einen Beitrag leisten konnten für das kulturelle und kollektive Gedächtnis unserer Stadt.
Ich darf nun Dir, liebe Elsbeth, im Namen unseres Fördervereins als DANKESCHÖN einen Blumenstrauß überreichen. Thank you so much for coming to Darmstadt, dear Elsbeth!